Redispatch 2.0: von der Pflicht zum Vertriebs-„Liebling“
Die Interconnector GmbH ist eine 100%ige EnBW-Tochter und wurde 2016 als Start-up gegründet. Als virtuelles Kraftwerk sollte Stromverbrauchern und -erzeugern ein Marktzugang als Dienstlistung zur Verfügung gestellt werden.
Dabei wurde die Direktvermarktung für erneuerbare Energien schnell das wichtigste Produkt mit dem Fokus auf kleinere Anlagen, denen größere Anbieter oft keinen oder nur sehr teure Verträge angeboten hatten. Entsprechend konzentrierte man sich auf eine möglichst voll automatisierte und standardisierte Abwicklung, gestützt auf ein großes Netzwerk von Vertriebs- und Anbindungspartnern.
Nachdem der Gesetzgeber festgelegt hatte, Redispatch 2.0 zum 01.10.2021 einzuführen, stellte sich bald heraus, dass die Kunden die Übernahme der Pflichten durch die neu eingeführten Rollen Einsatzverantwortlicher (EIV) und Betreiber der technischen Ressource (BTR) vom Direktvermarkter erwarten, was durch eine entsprechende Empfehlung des BDEW gestützt wurde. Dementsprechend startete Interconnector ein Projekt zur Umsetzung der neuen Anforderungen, das von CONSULECTRA unterstützt wurde. Dieses begann als Pflichtthema, das pragmatisch umgesetzt werden sollte, um sowohl bei Interconnector als auch bei den Kunden möglichst wenig Kosten und Aufwand zu verursachen.
Für die Anlagenbetreiber war es zunächst schwierig zu verstehen, was von ihnen erwartet wird und wie sie diese neu auferlegten Pflichten erfüllen können. Dadurch kamen viele Kunden und Interessenten mit Fragen und Beratungsbedarf auf Interconnector zu. Diese wurden in Webinaren, FAQs und Blog-Beiträgen beantwortet. Nachdem klar wurde, dass die Netzbetreiber diese Dienstleistungen nicht übernehmen und es wenige Dienstleister gab, die ausschließlich die Redispatch-Rollen unterstützen, entwickelte sich das Thema schnell zu einem vertrieblich erfolgsversprechenden Ansatzpunkt. Anlagenbetreiber, die bisher die EEG-Vergütung genutzt hatten und sich noch nicht für einen Direktvermarktungsvertrag entscheiden konnten, wurden erneut mit einem Angebot der Interconnector kontaktiert. Durch die Webinare wurde nicht nur Redispatch 2.0 erklärt, sondern es wurde eine einfache und kostengünstige Möglichkeit aufgezeigt, die Pflichten zu erfüllen. Ein Direktvermarktungsvertrag bei Interconnector beinhaltete ohne Mehrkosten die Übernahme der EIV- und BTR-Rolle, sodass die Nachfrage bald so stark anstieg, dass sich die Anzahl Kunden im Laufe des Jahres 2021 von ca. 1.400 auf ca. 3.900 mehr als verdoppelt hat und bis Ende 2022 sogar auf ca. 7.600 Verträge anwuchs.
Um Komplexität und Aufwand zu reduzieren, wurde entschieden, sich auf das Prognosemodell, den Duldungsfall und die Pauschalabrechnung zu beschränken, was gut zu den Anforderungen und Erwartungen der Kunden passte, die größtenteils Anlagen mit einer Erzeugung zwischen 100 kW und 1 MW betrieben. Da vom Hersteller des von der Interconnector eingesetzten EDM- und Marktkommunikationssystems die Umsetzung der neu eingeführten EIV- und BTR-Rolle nicht unterstützt wurde, entschloss man sich, diese in einem separaten Modul umzusetzen, welches von der eigenen IT-Abteilung entwickelt wurde. Auf Basis der veröffentlichten Marktregeln und BDEW-Dokumente wurden die Anforderungen an dieses Modul definiert, die Anbindung an Connect+ sowie die Schnittstellen zu den Umsystemen spezifiziert, insbesondere zum Kundenportal, um die Abwicklung möglichst vollautomatisch in die bestehende Systemkette zu integrieren.
Neben der Begleitung der Entwicklung bis zum Go-live wurden auch die Integration in die Direktvermarktungsverträge fachlich von CONSULECTRA unterstützt, die Anpassung der bestehenden Geschäftsprozesse begleitet und eine Serviceorganisation mit aufgebaut. Aufgrund der zahlreichen Anpassungen der Marktregeln, der Unsicherheit im Markt und der von vielen Marktteilnehmern nicht fehlerfrei umgesetzten Prozesse wurde viel Wert auf ausreichende Tests, Abstimmungen mit Marktpartnern und Direktvermarktungskunden gelegt.
Während der Redispatch-2.0-Einführung entschied die EnBW, das Direktvermarktungsgeschäft von Interconnector für Betreiber mit geringerer Leistung in die EnBW Trading GmbH zu integrieren, die ebenfalls Direktvermarktungsverträge anbietet, jedoch schwerpunktmäßig für Anlagen mit hoher Leistung. Dieses Vorhaben bringt nicht nur vertragliche Fragestellungen mit sich, sondern auch Anpassungsbedarf bei Prozessen, IT-Systemen sowie der potentiellen Umstellung der Lieferanten-, EIV- und BTR-Rolle von Interconnector auf EnBW. Einige der Themenfelder dieser Transition werden dabei auch von CONSULECTRA begleitet.
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